Für die Stufenzuordnung relevante Berufserfahrung kann auch in einer niedrigeren Entgeltgruppe erlangt werden. Bei Aufbauentgeltgruppen gilt dies, wenn die höhere Bewertung der Stelle nach der Wiedereinstellung aus der bloßen Erhöhung des Zeitanteils eines Arbeitsvorgangs resultiert. So urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) am 29.06.2022 (Az.: 6 AZR 475/21).
Eine Sachbearbeiterin im Bereich Weiterbildung war an einer Technischen Universität beschäftigt. Nach fünf Jahren wurde sie zum 01.04.2017 unbefristet eingestellt. Die ihr nun übertragene Tätigkeit verlangt eine „hochschuldidaktische Zusatzqualifikation“, welche die Klägerin bereits im Jahr 2015 erworben hatte. Bis zum Ende ihres befristeten Arbeitsverhältnisses (31.03.2017) war sie in die EG 10 TV-L eingruppiert, seit dem 01.04. erhielt sie die EG 11, da der in der zugrundeliegenden Stellenbeschreibung aufgeführte Arbeitsvorgang „Konzeption der Weiterbildungsangebote und inhaltliche Vorgaben zu den zu vermittelnden Themen“ sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9b, Fallgruppe 1 TV-L heraushebt und der zeitliche Anteil des Arbeitsvorgangs an der Gesamttätigkeit von 35% auf 50% angewachsen war.
Zuordnung in Stufe 3 statt Stufe 1?
Das BAG entschied zu Gunsten der Klägerin. Es stellte klar, dass einschlägige Berufserfahrung i. S. d. § 16 Abs. 2 TV-L bei Aufbauentgeltgruppen auch in einer niedrigeren Entgeltgruppe erlangt werden kann. Dies setzt voraus, dass die höhere Bewertung nach der Wiedereinstellung aus der bloßen Erhöhung des Zeitanteils eines Arbeitsvorgangs resultiert. Demnach hätte die Klägerin bei ihrer Einstellung am 01.04.2017 der Stufe 3 der EG 11 TV-L zugeordnet werden müssen, weil sie in den vorangegangenen, mit dem Beklagten bestehenden befristeten Arbeitsverhältnissen seit dem 01.07.2012 bereits einschlägige Berufserfahrung erworben hatte.
Einschlägige Berufserfahrung auch bei vorheriger niedriger Eingruppierung
Für das Vorliegen einschlägiger Berufserfahrung ist allein maßgeblich, ob die frühere Tätigkeit fachliche Anforderungen gestellt hat, die den Entfall einer Einarbeitungszeit erwarten lassen. Das sei regelmäßig nicht nur dann der Fall, wenn die frühere Tätigkeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt werde, sondern auch dann, wenn sie gleichartig war und zwischen früherer und neuer Tätigkeit eine eingruppierungsrechtliche Gleichwertigkeit besteht.
Einschlägige Berufserfahrung muss nicht unbedingt nur in derselben Entgeltgruppe erworben werden, denn die Beurteilung, ob einschlägige Berufserfahrung vorliegt, beziehe sich stets auf die in Aussicht gestellte Tätigkeit beim neuen Arbeitgeber. Bei dieser Prüfung sei ein tätigkeitsbezogener Vergleich zwischen den in der Vergangenheit erlangten Kenntnissen und Fähigkeiten mit den künftig zu bewältigenden Aufgaben erforderlich. Diese eigenständige Prüfung weise nur bzgl. der Wertigkeit der zu vergleichenden Tätigkeiten einen Bezug zum Eingruppierungsrecht auf. Im Übrigen sei Beurteilungsmaßstab allein der Vergleich der fachlichen Anforderungen der bisherigen und der nunmehr auszuübenden Tätigkeit.
Einschlägige Berufserfahrung bei Aufbauentgeltgruppen
Aus diesen Gründen könne bei Aufbauentgeltgruppen – wie im vorliegenden Fall der Wechsel von der EG 10 zur EG 11 – die einschlägige Berufserfahrung auch in einer niedrigeren Entgeltgruppe erlangt werden, wenn die höhere Bewertung der neuen Tätigkeit allein daraus resultiere, dass der Zeitanteil eines Arbeitsvorgangs gestiegen sei. Dieser Umstand war in dem vorliegenden Fall gegeben: Der Wechsel von der EG 10 zur EG 11 resultierte alleine daraus, der zeitliche Anteil des bereits genannten Arbeitsvorgangs an der Gesamttätigkeit der Klägerin von 35% auf 50% gestiegen war. Alleine die Änderung der Zeitanteile der auszuübenden Tätigkeit erfordere keine neue Einarbeitung.