Organisation und Personal
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Schwangere Beschäftigte brauchen angemessene Frist für Kündigungsschutzklage

Einer schwangeren Arbeitnehmerin muss eine angemessene Frist eingeräumt werden, um ihre Kündigung vor Gericht anfechten zu können. Dies stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Entscheidung fest (Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 27. Juni 2024 in der Rechtssache C-284/23). Die Frist von zwei Wochen für den Antrag auf Zulassung einer verspäteten Klage scheine demnach zu kurz.

Im vorliegenden Verfahren ging es um die formellen Voraussetzungen für einen Antrag auf Zulassung einer verspäteten Kündigungsschutzklage. Der EuGH hatte sich nach Vorlage durch das Arbeitsgericht (ArbG) Mainz damit auseinanderzusetzen, ob diese mit den Anforderungen des europäischen Grundsatzes des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes vereinbar sind. Grundsätzlich muss eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden. Erfährt eine Arbeitnehmerin zu einem späteren Zeitpunkt, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger war, kann sie innerhalb von zwei Wochen einen Antrag stellen, dass die verspätete Klage ausnahmsweise zulässig ist. Passiert dies nicht, wie im vorliegenden Fall, ist die Kündigung an sich wirksam. Diese Frist von zwei Wochen ist zu kurz, so der EuGH.

 Der Fall: Schwangere Beschäftigte versäumt Frist für Kündigungsschutzklage

Die Mitarbeiterin war als Pflegehelferin mit einem befristeten Vertrag seit dem 1. August 2022 in einem Pflegeheim beschäftigt. Der Arbeitgeber kündigte ihr am 6. Oktober 2022 mit Wirkung zum 21. Oktober.

Jedoch wurde am 9. November 2022 ärztlich festgestellt, dass die gekündigte Beschäftigte in der siebten Woche schwanger ist, was sie dem Arbeitgeber bereits am nächsten Tag mitteilte. Am 13. Dezember reichte sie beim Arbeitsgericht Mainz Klage gegen ihre Kündigung ein – mit der Begründung, dass sie zum Zeitpunkt der Kündigung schwanger gewesen sei.

Arbeitsgericht legt EuGH Frage zur Kündigungsfrist vor

Die vorgesehene ordentliche Frist für die Kündigungsschutzklage – drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung – zum Zeitpunkt, als die Arbeitnehmerin von ihrer Schwangerschaft erfuhr und sie die Klage erhob, war bereits verstrichen, wie das ArbG Mainz feststellte. Die im deutschen Recht verankerte Regelung, innerhalb von zwei Wochen einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage zu stellen, habe die Beschäftigte nicht genutzt.

Das ArbG Mainz stellte daher fest, dass die Kündigung trotz des Sonderkündigungsschutzes bei Schwangerschaft wegen der Fristversäumnis wirksam sei. Allerdings erschien dem Gericht diese Frist von zwei Wochen sehr kurz. Dies sei möglicherweise nicht mit der europäischen Richtlinie über schwangere Arbeitnehmerinnen vereinbar. Deswegen befragte das Arbeitsgericht den EuGH.

EuGH: Zweiwöchige Frist nach Kenntnis der Schwangerschaft ist zu kurz

Der Gerichtshof stellte fest, dass die deutsche Zwei-Wochen-Frist nicht mit europäischem Recht vereinbar ist, da sie dem Effektivitätsgrundsatz nicht genügt. Gemäß der deutschen Regelung verfüge eine schwangere Beschäftigte, die zum Zeitpunkt ihrer Kündigung Kenntnis von ihrer Schwangerschaft hat, über eine Frist von drei Wochen, um Klage zu erheben und ihre Rechte geltend zu machen. Dagegen habe eine Mitarbeiterin, die aus einem von ihr nicht zu vertretenden Grund vor Verstreichen dieser Frist von ihrer Schwangerschaft nicht weiß, nur zwei Wochen Zeit, um zu beantragen, eine solche Klage erheben zu können.

Im Vergleich zu dieser ordentlichen Frist hielt der EuGH die eine um eine Woche kürzere Frist für nicht mit der Richtlinie vereinbar. Er wies darauf hin, dass eine so kurze Frist angesichts der Situation, in der sich eine Frau zu Beginn ihrer Schwangerschaft befindet, es einer schwangeren Beschäftigten erschwere, sich sachgerecht beraten zu lassen und gegebenenfalls einen Antrag auf Zulassung der verspäteten Klage sowie die eigentliche Klage abzufassen und einzureichen. Es sei jedoch stets Sache des Arbeitsgerichts, zu prüfen, ob dies tatsächlich der Fall ist.