Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig (BVerwG) hat entschieden, dass, wenn eine öffentliche Verwaltung in sozialen Medien eigene Seiten oder Kanäle betreibt, wegen der für alle Nutzer bestehenden Möglichkeit, Beiträge zu kommentieren, eine technische Einrichtung zur Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Beschäftigten vorliegen kann, deren Einrichtung oder Anwendung der Mitbestimmung des Personalrats unterliegt. Ursache für das Urteil war der folgende Fall.
Deutsche Rentenversicherung unterhält Social Media-Kanäle
Die Deutsche Rentenversicherung Bund unterhält – teilweise zusammen mit anderen Rentenversicherungsträgern – im Rahmen ihrer Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und zur Personalgewinnung bei Facebook, Instagram und Twitter eigene Seiten bzw. Kanäle. Die dort befindlichen Beiträge können von einzelnen Nutzern kommentiert und dabei auch Verhalten oder Leistung einzelner Beschäftigter thematisiert werden. Beiträge und Kommentare werden von den sozialen Medien gespeichert, allerdings nicht für die Dienststelle ausgewertet. Während das Verwaltungsgericht dem Personalrat ein Mitbestimmungsrecht zugestanden hat, hat das Oberverwaltungsgericht dessen Bestehen verneint.
BVerwG: Personalratsbestimmung kann notwendig sein
Der Entscheidung des BVerwG zufolge kann die Frage, ob die Einrichtung oder Anwendung von Seiten oder Kanälen mit Kommentarfunktion, die eine Stelle der öffentlichen Verwaltung in sozialen Medien unterhält, der Mitbestimmung durch den Personalrat unterliegen, nicht pauschal, sondern nur nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalles beantwortet werden.
Nach der einschlägigen Regelung des Personalvertretungsgesetzes (BPersVG) hat der Personalrat mitzubestimmen bei der Einrichtung und Anwendung technischer Eirichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Beschäftigten zu überwachen (§ 80 Abs. 1 Nur. 21 BPersVG). Durch dieses Mitbestimmungsrecht soll die Persönlichkeit der Beschäftigten am Arbeitsplatz und soll entsprechend gewährleisten, dass Stelleninhaber durch die technische Einrichtung eine ständige Überwachung befürchten müssen und dadurch unter „Überwachungsdruck“ geraten. So sei – entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts – bereits das Speichern von Nutzerkommentaren mit verhaltens- oder leistungsbezogenen Angaben als selbstständige (Überwachungs-)Leistung einer technischen Einrichtung anzusehen. Denn grundsätzlich besteht die Gefahr, dass die Dienststelle diese Daten auch – ohne das Wissen der Stelleninhaber – auswertet, wodurch bei den Beschäftigten ein „Überwachungsdruck“ erzeugt werden kann. Das Speichern der in Rede stehenden Kommentare kann zudem zur Überwachung der Stelleninhaber „bestimmt“ sein“. Dafür reicht es aus, dass die Datenspeicherung objektiv zur Überwachung geeignet ist.
Konkrete Ausgestaltung des Social Media-Auftritts ist entscheidend
Ob das der Fall ist, hängt davon ab, ob bei objektiver Betrachtung im konkreten Fall eine nach Maßgabe des Schutzzwecks des Mitbestimmungstatbestandes hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Einstellen entsprechender Nutzerkommentare gegeben ist. Von Bedeutung ist zunächst die Konzeption des von der Dienststellenleitung verantworteten Auftritts der Dienststelle in den sozialen Medien. Wenn die Leitung zum Beispiel durch die Beiträge den Fokus auf das Verhalten bzw. die Leistung der eigenen Beschäftigten lenkt, sind hierauf bezogene Kommentare zu erwarten. Dagegen wird nicht von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit für die Anbringung solcher Kommentare auszugehen sein, wenn Auftritte der Dienststelle in den sozialen Medien sachbezogen in allgemeiner Form lediglich über Aufgaben der Dienststelle oder ohne Bezüge zu bestimmten Beschäftigten in Form von Pressemitteilungen über die Tätigkeit der Dienststelle informieren. Darüber hinaus ist das Verhalten der Nutzer in eine Gesamtbetrachtung einzubeziehen. Kommt es allerdings im Verlaufe des Betriebs zu einer nennenswerten Anzahl verhaltens- oder leistungsbezogener Nutzerkommentare, kann die Überwachungseignung eine andere Relevanz erhalten und zu bejahen sein. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Betrachters das Entstehen eines „Überwachungsdrucks“ deshalb nicht anzunehmen ist, weil die Dienststellenleitung derartige Kommentare ohne vorherige Auswertung schnellstmöglich löscht.
Oberverwaltungsgericht muss noch mehr Tatsachen erörtern
Da das Oberverwaltungsgericht – von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig – die danach erforderlichen tatsächlichen Feststellungen bislang nicht getroffen hat, war der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts aufzuheben und der Fall an dieses zurückzuverweisen (BVerwG, Beschluss v. 04.05.2023, Az.: 5 P 16.21).