Stichworte: Organisationsuntersuchung, Change Management, Organisationsentwicklung
Im Rahmen zahlreicher Disziplinen gibt es klare Regeln, was richtig und was falsch ist. Organisationsgestaltung hingegen kann jeder ? Falsch.
Das was sich in den Rechtswissenschaften aus Gesetzen und Rechtsprechung ergibt, regeln in den Organisationswissenschaften die „Organisationsgesetze“ (=Organisationstheorien). Sie sind ein Konglomerat von Konzepten aus den Disziplinen Wirtschaftswissenschaften, Soziologie, Arbeits- und Organisationspsychologie oder Organisationspädagogik. Und eines vorweg: Es handelt sich nicht um Alltagstheorien, sondern wissenschaftliche Theorien, die auf empirischer Forschung fußen.
Im heutigen Beitrag möchten wir euch die Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie vorstellen.
Bedeutungsgehalt der Theorie:
Die Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie beschreibt, welche Mechanismen dazu beitragen, Organisationsentscheidungen zu vereinfachen. Dazu gehören zum Beispiel Hierarchien und standardisierte Verfahren. Diese Mechanismen beeinflussen die Entscheidungsprämissen von Individuen.
Gestaltungsparameter:
A. Gleichgewicht zwischen Anreizen und Beiträgen
Alle Individuen in einer Organisation müssen durch Anreize zu ausreichend Beiträgen motiviert werden. Dies gilt sowohl für Mitglieder (Beitrag = Arbeitsleistung) der Organisation als auch Kunden (Beitrag = Zahlungen) oder Gesellschafter (= Kapital).
Individuen leisten nur so lange Beiträge, wie sie die gebotenen Anreize als mindestens gleich groß oder größer als ihre Beiträge wahrnehmen.
Ein Anreiz kann alles sein, was den subjektiven Nutzen eines Individuums steigert (z.B. Geld, soziale Beziehungen, Qualität der Arbeit, Gefühle, Macht oder Prestige).
B. Begrenzte Rationalität
Kognitive Grenzen der Informationsaufnahme und -verarbeitung hindern die Mitglieder daran objektiv rationale Entscheidungen zu treffen.
C. Herrschaft und Hierarchie
Erst die Anerkennung von Herrschaft in Form von Hierarchie (zeitgemäß und praktischer übersetzt = die Akzeptanz von Personalführung und Managementebenen) in einer Organisation ermöglichen die Arbeit an gemeinsamen Organisationszielen. Herrschaft richtet sich zumindest überwiegend an die internen Mitglieder. Die Akzeptanz von Herrschaft und das Setzen von Anreizen sichern Motivation. Die Wichtigkeit der Herrschaft wird dadurch untermalt, dass die Mitglieder begrenzt rational sind. Herrscher reduzieren Komplexität, da es ihre Aufgabe ist, den Weg vorzugeben.
D. Arbeitsteilung
Organisationen können ihre komplexen Aufgaben in Teilaufgaben zergliedern, um sie dadurch bearbeitbarer zu machen und die Individuen vor zu viel Komplexität zu schützen. Das Problem der Arbeitsteilung ist die richtige Granularität, da zu starke Arbeitsteilung neue Probleme (z.B. Zielkonflikte, Lethargie durch zu hohe Routine, Interdependenzprobleme, unvollkommene Bearbeitungsformate) sich bringt.
E. Standardisierte Verfahren und Programme
Durch Standardisierung wird den Individuen abgenommen sich wiederholende Tätigkeiten immer stets neuen Lösungsmöglichkeiten zuführen zu müssen. Für die Organisation wird das Handeln der Mitglieder steuerbar und rationalisiert. Es kann eine Unterscheidung in Konditional- und Zweckprogramme vorgenommen werden. Konditionalprogramme schreiben für einen Sachverhalt ein Verhalten vor, während Zweckprogramme nur die Ziele vorschreiben und das geeignete dazu notwendige Handeln dem Mitglied vorbehalten bleibt.
F. Kommunikation
Über spezifische, formalisierte Kommunikationskanäle fließen den Mitgliedern Informationen zu, die ihr Verhalten im Sinne der Organisation koordinieren sollen.
Fazit:
Auch wenn das Menschenbild der Theorie etwas hölzern daherkommen mag, so arbeiten Theorien stets mit starken Abstraktionen. Das Menschenbild der Verhaltenswissenschaftlichen Entscheidungstheorie ist keineswegs negativ. Vielmehr können die dargestellten Gestaltungsparameter bei ihrer Anwendung dazu führen, dass Mensch und Organisation einen gemeinsamen Nutzen bei einem Mitgliedschaftsbündnis erzielen können.
Wenn wir in unseren Organisationsuntersuchungen (Vorstellung unserer Beratungsleistungen, siehe unten) folglich auf Hierarchieebenen, Kommunikationsroutinen und Motivationsinstrumente achten, hat das durchaus einen Sinn.
Literatur:
Berger, U.; Bernhard-Mehlich, I; Oertel, S. (2014): Die Verhaltenswissenschaftliche Entscheidungstheorie, in: Kieser, A.; Ebers, M. (Hrsg.): Organisationstheorien, Stuttgart: Kohlhammer Verlag, 7. Aufl., S. 118-163.