Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Regelung der Zusatzrente im öffentlichen Dienst bestätigt. Dies ist das Ergebnis des folgenden Verfahrens:
Die Klägerin bezieht als sog. „rentenferne Versicherte“ bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) seit August 2014 eine Versorgungsrente. Sie hält die Übergangsregelung für rentennahe Versicherte für unwirksam und erstrebt eine nach dem vor der Systemumstellung im Jahr 2018 geltenden Satzungsrecht ermittelte Rente, hilfsweise eine abweichende Berechnung ihrer Startgutschrift unter Berücksichtigung verschiedener ihr günstiger Berechnungsgrundlagen und äußerst hilfsweise die Feststellung der Unverbindlichkeit der ermittelten Startgutschrift.
Ihre Klage war in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben.
Hintergrund der Neuberechnung der Zusatzversorgung
Die VBL hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitnehmern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Die neugefasste Satzung beinhaltet ein beitragsorientiertes Betriebsrentensystem, welches auf einem Punktemodell beruht. Sie enthält – auf der Grundlage entsprechender tarifvertraglicher Vereinbarungen – Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden als sog. Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall zu, Umstellungsstichtag noch nicht eingetreten war, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Als rentenfern gilt grundsätzlich, wer am 1. Januar 2022 das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte. Das betraf zum Stichtag ca. 1,7 Mio. Versicherte.
Die Startgutschrift rentenferner Versicherter nach § 79 Abs. 1 VBLS i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG wird – vereinfacht dargestellt – in zwei Rechenschritten ermittelt: In einem ersten Rechenschritt wird die so genannte Voll-Leistung berechnet, die die vom Versicherten bei der VBL maximal erzielbare, fiktive Vollrente beschreibt. Dazu wird von der dem Versicherten zum Umstellungsstichtag fiktiv zustehenden Gesamtversorgung, der so genannten Höchstversorgung, dessen voraussichtliche Grundversorgung, d.h. seine gesetzliche Rente, in Abzug gebracht. In einem zweiten Schritt wird rentenfernen Versicherten als Startgutschrift zunächst für jedes Jahr ihrer Pflichtversicherung in der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes anteilig ein Prozentsatz (sog. Anteilssatz) dieser Voll-Leistung gutgeschrieben.
Der Anteilssatz betrug zunächst 2,25%. Der BGH erklärte diese jedoch wegen eines Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) für unverbindlich und beanstandete insbesondere eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherten mit langen Ausbildungszeiten (Urt. v. 14.11.2007, IV ZR 74/06). Auch die geänderte Übergangsregelung wurde vom BGH mit Urteil vom 9.3.2016 (IV ZR 9/15) für unverbindlich befunden – erneut aufgrund einer Ungleichbehandlung.
Mit Änderungstarifvertrag von Juni 2017 wurde sich darauf verständig, den bisherigen Anteilssatz von 2,25% durch einen variablen Anteilssatz zu ersetzen. Dieser beträgt – in Abhängigkeit von den Pflichtversicherungszeiten, die der Versicherte bis zum Beginn des 65. Lebensjahrs erreichen kann – zwischen 2,25% und 2,5%.
Keine Benachteiligung wegen des Geschlechts
Der BGH hat die Revision der Klägerin gegen das Berufungsurteil zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die für rentenferne Versicherte getroffene Übergangsregelung wirksam ist. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine anderweitige Berechnung ihrer Startgutschrift.
Laut BGH begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, dass bei der Ermittlung der Startgutschrift für die Berechnung der Voll-Leistung die von der Höchstversorgung in Abzug zu bringende voraussichtliche gesetzliche Rente des Versicherten nicht individualisiert, sondern nach dem bei der Berechnung von Pensionsrückstellungen allgemein zulässigen Verfahren (dem so genannten Näherungsverfahren) zu ermitteln ist. Die Anwendung des Näherungsverfahrens verstößt namentlich nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen und der Regelung hochkomplizierter Materien, wie der Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst, können typisierende und generalisierende Regelungen zulässig sein. Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die ausschließliche Anwendung des Näherungsverfahrens die verfassungsmäßigen Grenzen einer zulässigen Typisierung und Standardisierung einhält.
Die Anwendung des Näherungsverfahrens bewirkt ferner keine unzulässige Benachteiligung wegen des Geschlechts. Insbesondere liegt keine unzulässige Benachteiligung weiblicher rentenferner Versicherter vor. Die Feststellungen des Berufungsgerichts zeigen, dass sich die Anwendung des Näherungsverfahrens nicht auf einen signifikant höheren Anteil der weiblichen Versicherten ungünstig auswirkt. Infolge von Lücken in der Erwerbsbiografie, etwa aufgrund von Kinderbetreuungszeiten, benachteiligte weibliche (und männliche) Versicherte werden zudem dadurch begünstigt, dass bei der Berechnung der Gesamtversorgung zu ihren Gunsten ebenfalls eine lückenlose Erwerbsbiografie unterstellt wird.
Einführung des gleitenden Anteilssatzes
Aus Rechtsgründen ist ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der Startgutschriftenermittlung nunmehr ein gleitender Anteilssatz von 2,25 % bis 2,5 % für jedes Jahr der Pflichtversicherung zugrunde liegt. Durch die Einführung des gleitenden Anteilssatzes können bei einem angenommenen Renteneintritt mit 65 Lebensjahren nunmehr – anders als noch nach der Vorgängerregelung – auch Versicherte mit einem Diensteintrittsalter zwischen 20 Jahren und sieben Monaten und 25 Jahren theoretisch eine Startgutschrift von 100 % der Voll-Leistung und damit die höchstmögliche Versorgung erreichen. Damit entfällt insbesondere die bisherige Benachteiligung von Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten, die nach einem Studium oder einer Ausbildung außerhalb des öffentlichen Dienstes üblicherweise bis zum 25. Lebensjahr in den öffentlichen Dienst eintreten.
Der gleitende Anteilssatz bewirkt ferner keine neue unzulässige Ungleichbehandlung wegen des Alters der vor Vollendung des 25. Lebensjahres in den öffentlichen Dienst eingetretenen Versicherten. Zwar fällt für diese Versicherten der gleitende Anteilssatz – begrenzt auf mindestens 2,25 % – desto kleiner aus, je jünger sie in den öffentlichen Dienst eingetreten sind. Das bewirkt jedoch unter Berücksichtigung des weiten Gestaltungsspielraums der Tarifvertragsparteien keine unzulässige Diskriminierung wegen des Alters, sondern wahrt das der betrieblichen Altersversorgung im öffentlichen Dienst zugrundeliegende Prinzip, die Betriebstreue des Versicherten im öffentlichen Dienst zu honorieren.
Die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte ist schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit nicht zu beanstanden. Eine einseitige Belastung bestimmter Versichertengruppen wie bei der früheren Übergangsregelung liegt nicht mehr vor (BGH, Urteil vom 20.9.2023, IV ZR 120/22).