Wenn ein öffentlicher Arbeitgeber ein Stellenbesetzungsverfahren abbricht und aufgrund des Abbruchs keine Stelle mehr besetzt, muss er weder schwerbehinderte Bewerber noch nicht schwerbehinderte Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschieden.
Die Beklagte schrieb eine Stelle als Sachbearbeitung im Bereich des Jugendamtes aus. Entsprechend den Vorgaben des § 164 Abs. 1 SGB IX informierte sie die Agentur für Arbeit über die zu besetzende Stelle. Auf diese Ausschreibung hatte sich der Kläger unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung beworben. Allerdings stellte sich in der Folge heraus, dass die Stelle aus personalwirtschaftlichen Gründen intern besetzt werden konnte, weswegen die Beklagte das Stellenbesetzungsverfahren unter Benachrichtigung der Agentur für Arbeit und aller Bewerber abbrach, ohne den Kläger zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Letzten Endes wurde die Stelle mit einem der Auszubildenden besetzt.
Der Kläger fühlte sich aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert und klagte auf eine Entschädigung i. H. v. 11.984,94 Euro. In seiner Begründung führte er an, dass die Beklagte ihre Pflicht zur rechtzeitigen Information über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens und den dafür maßgeblichen Grund verletzt habe. Zudem habe sie den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes dadurch verletzt, dass sie die Agentur für Arbeit unzureichend bzw. zu spät über den Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens informiert hatte.
Kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach AGG
Das LAG Hamm wies die Klage mit der Begründung zurück, dass hier kein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegt.
Nach § 3 Abs. 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation. Hierbei bedarf es eines Kausalzusammenhangs, der dann gegeben ist, wenn die Benachteiligung an einen oder mehrere in § 1 AGG genannte Gründe anknüpfe oder dadurch motiviert sei.
Allerdings sei ein solcher Kausalzusammenhang vorliegend nicht feststellbar. Aufgrund des Abbruchs des Stellenbesetzungsverfahrens habe keine Notwendigkeit mehr zur Einladung für ein Vorstellungsgesprächs, da keine Stelle mehr zu besetzen gewesen sei. Auch habe die Klägerin mit keinem anderen Bewerber ein Vorstellungsgespräch geführt, sodass für den Kläger kein Nachteil entstanden sei. Tatsächlich stellte der Abbruch des Bewerbungsverfahrens einen Gegenbeweis dafür dar, dass die unterbliebene Einladung zu einem Vorstellungsgespräch andere Gründe als die Schwerbehinderung erheblich gewesen seien.
Keine Mitteilungspflicht über den Abbruch einer Stellenausschreibung
Der Kläger vermutete, dass die Beklagte die Agentur für Arbeit nicht ausreichend über den Abbruch informiert habe. Allerdings ist ein Arbeitgeber gemäß § 164 Abs. 1 S. 2 SGB IX nur verpflichtet, vor der Besetzung einer freien Stelle frühzeitig mit der Agentur für Arbeit Kontakt aufzunehmen. Die Vorschrift sehe dagegen keine Mitteilungspflicht für den Abbruch einer Stellenausschreibung vor.
Auf Rechtmäßigkeit des Abbruchs einer Stellenausschreibung kommt es nicht an
Für die Frage des Entschädigungsanspruchs komme es auf die Rechtmäßigkeit des Stellenabbruchs nicht an. Auch wenn Fehler im Besetzungsverfahren Schadensersatzansprüche auslösen könnten, seien diese ausschließlich im Rahmen eines Konkurrentenverfahrens (welches jedoch bei vorzeitigem Abbruch des Stellenbesetzungsverfahrens nicht in Betracht komme) unter Berufung auf die Verletzung eines Bewerbungsverfahrensanspruchs und nicht im Rahmen eines Entschädigungsanspruchs nach dem AGG geltend zu machen (LAG Hamm, Urteil vom 30.3.2023, 11 Sa 878/22).