Die Pflicht zur Einladung von schwerbehinderten Bewerbern zu einem Vorstellungsgespräch wird durch öffentliche Arbeitgeber grundsätzlich auch dadurch erfüllt, dass sie die Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, das in Form eines Video-Interviews geführt wird. Das hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm entschieden.
Der Kläger bewarb sich unter Hinweis auf seine Schwerbehinderung auf eine Stelle als Seelsorger in einer Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige, die das beklagte Erzbistum ausgeschrieben hatte. Er wurde im Anschluss zu einem Vorstellungsgespräch in Form eines Online-Video-Interviews eingeladen. Im Nachgang dazu erhielt der Kläger eine Absage. Er fühlte sich aufgrund seiner Schwerbehinderung diskriminiert. Bei seiner Klage brachte er vor, dass das durchgeführte Video-Interview nicht als „Vorstellungsgespräch“ i. S. d. § 165 S. 3 SGB IX zu bewerten sei und er als schwerbehinderter Bewerber bevorzugt hätte eingestellt werden müssen.
LAG: Keine Benachteiligung aufgrund der Schwerbehinderung
Die Klage hatte jedoch keinen Erfolg. Nach Ansicht des LAG Hamm lag kein Kausalzusammenhang in der Hinsicht vor, dass eine – vom Gericht zu Gunsten des Klägers unterstellte – Benachteiligung seitens des Beklagten an einen Grund i. S. d. § 1 AGG angeknüpft habe oder durch diesen motiviert gewesen sei. Zwar komme für die Darlegung und den Nachweis der Kausalität die gesetzliche Beweiserleichterung des § 22 AGG zur Anwendung, wonach es ausreiche, dass die klagende Partei Indizien beweise, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen. Weitergehende Beweiserleichterungen zugunsten der klagenden Partei seien jedoch gesetzlich nicht vorgesehen. Insbesondere finde keine Umkehr der Darlegungs- oder Beweislast statt, sobald überhaupt eine Benachteiligung (z. B. wie hier die Ablehnung der Bewerbung) vorliege.
Video-Interview für Vorstellungsgespräch ist zulässig
Das LAG vertritt die Auffassung, dass die Durchführung des Vorstellungsgesprächs per Video-Interview zulässig war. Der Arbeitgeber dürfe dabei auch moderne Kommunikationsmittel einsetzen und das Gespräch z. B. per Videochat führen. Maßgeblich sei allein, ob das Gespräch einen umfassenden Eindruck von der fachlichen und persönlichen Eignung des Bewerbers vermitteln könne. Und dies sei bei einem Video-Interview möglich, da dieses ebenso wie das persönliche Gespräch die visuelle und akustische Wahrnehmung des Gesprächspartners erlaube. Dies gelte auch bei einem Vorstellungsgespräch mit schwerbehinderten Bewerbern.
Voraussetzung sei hierbei nur, dass der schwerbehinderte Mensch keine behinderungsbedingten Einschränkungen habe, die die Teilnahme an einem Video-Interview erschwerten. Ob etwas anderes gelte, wenn der Arbeitgeber mit einigen Bewerbern persönliche Gespräche, mit anderen hingegen nur Video-Interviews durchführe, könne offenbleiben, da vorliegend mit allen Bewerbern ausschließlich Gespräche per Video-Interview geführt worden seien (LAG Hamm, Urteil v. 21.07.2022, 18 Sa 21/22).
§ 165 Satz 3 SGB IX
Besondere Pflichten der öffentlichen Arbeitgeber
Haben schwerbehinderte Menschen sich um einen […] Arbeitsplatz beworben oder sind sie von der Bundesagentur für Arbeit oder einem von dieser beauftragten Integrationsfachdienst vorgeschlagen worden, werden sie zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.