Organisation und Personal
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Fallstudie Organisationsuntersuchung Abfallwirtschaftsbetrieb in einem Landkreis

  1. Ausgangslage und Problemstellung

In einem kommunalen Landkreis soll das Sachgebiet Abfallwirtschaft und Abfallberatung im Hinblick auf

  • eine effektive und wirtschaftliche Aufbau- und Ablauforganisation und
  • einen notwendigen Personalbedarf

untersucht werden.

Vor diesem Hintergrund spielte die Nutzung von digitalen Prozessen sowie eine wirksame Führungs- und Managementstruktur eine besondere Rolle.

Im Rahmen der Organisationsuntersuchung haben wir ein Personal-Benchmark für den Entsorgungsbereich und eine analytische Stellenbemessung für den Verwaltungsbereich durchgeführt. Ferner haben wir verschiedene Prozesse (Geschäftsprozesse wie das Buchen von Containern oder Sperrmüll, interne Hilfsprozesse wie den Debitorenrechnungsworkflow oder Routenplanungen) analysiert.

Ein Schwerpunkt lag in diesem Projekt auf der Konfiguration der Leitungsaufbauorganisation.

Als Ausschnitt aus dem Gesamtprojekt stellen wir unsere Erkenntnisse und Empfehlungen zur Leitungsaufbauorganisation nachfolgend dar.

Ziel ist es, interessierten Praktikerinnen und Praktikern oder potenziellen Kundinnen und Kunden einen Einblick in unsere Arbeit zu geben.

  1. Erkenntnisse

Der Landkreis gehört zu einer der wenigen entsorgungspflichtigen Kommunen, die ihre Abfallwirtschaft als Regiebetrieb organisiert haben. Nach eigenen Recherchen gibt es weniger als 10 % der Kommunen, die so aufgestellt sind. Der große Vorteil ist neben einem nicht zu unterschätzenden hohen Bürgervertrauen in die Leistungen eine große eigene Steuerungskompetenz für Weiterentwicklungen des Geschäftsbereichs.

Die dazu notwendige Infrastruktur im Rahmen der Aufbauorganisation und Verantwortungsstrukturen der Führungskräfte haben wir als einen wesentlichen Punkt kritisch untersucht. Die Aufbauorganisation des Regiebetriebes war zum Untersuchungszeitpunkt wie folgt gekennzeichnet:

Problembereich: Aufbauorganisation und Verantwortungsstrukturen der Leitungsstellen:

Gruppenleitung war Flaschenhals

Unter der Sachgebietsleitung existierten die zwei Gruppen Verwaltung und Entsorgung. Sachgebietsleitung und Gruppenleitung waren in Personalunion besetzt. Die Entsorgungsgruppe (bestehend aus 130,32 VZÄ[1], verteilt auf das Kreisgebiet) wurde von einer Gruppenleitung geleitet. Diese Gruppenleitung war damit personell (/disziplinarisch) sowie fachlich für eine große Anzahl von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen verantwortlich.

Die drei Standorte unter der Gruppenleitung wurden jeweils von einem Standortleiter „betreut“. Der Standortleiter war formal keine disziplinarische Führungskraft und hatte kaum offiziell übertragene Entscheidungskompetenzen. Bereits beim Bestellen von Material oder Betriebsstoffen musste eine Budgetentscheidung vom Gruppenleiter oder gar vom Sachgebietsleiter eingeholt werden. Dadurch, dass allen klar ist, dass dieses Kompetenzvakuum nicht zielführend ist, entwickelte sich in vielen Fällen eine gelebte Struktur, in welcher die Standortleiter bei Budgetentscheidungen oftmals Entscheidungen trafen und diese im Nachhinein von der Gruppenleitung Entsorgung (ab 15.000 Euro ohne USt) oder der Sachgebietsleitung (ab 25.000 Euro ohne USt) formal „absegnen“ ließen. Bei kritischen Entscheidungen (z.B. ein älteres Fahrzeug noch einmal reparieren ?) hingegen wurde sofort eine der beiden Leitungsebenen mit einbezogen. Bei Personalentscheidungen hingegen wurde seitens der Standortleitungen alles vorbereitet und mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besprochen und dann von der Gruppenleitung Entsorgung entschieden und unterschrieben. Dazu war häufig nach dem ersten Gespräch zwischen Mitarbeiter/-in und Standortleitung noch einmal ein Gespräch nötig, um auch wirklich sicherzugehen, dass der Sachverhalt richtig erfasst wurde.

Die Gruppenleitung Entsorgung stellte einen „Flaschenhals“ dar und war permanent überlastet. Diese Stelle konnte sich nicht um die eigentlichen Führungsaufgaben außerhalb der Routineprobleme des Alltages kümmern. Für die zeitlichen Ressourcen in Bezug auf ein wirksames Personalmanagement, die Betriebsorganisation und Zukunftsausrichtung des technischen Aufgabenbereichs fehlte es völlig. Zeit für die Weiterentwicklung der Standorte (zu denen auch noch eine große Anzahl von 42 Wertstoffhöfen gehörte) stand so gut wie nicht zur Verfügung.

[1] 1 VZÄ = Vollzeitäquivalent = 100 % einer Vollzeitkraft.

Doppelfunktion Sachgebietsleitung und Gruppenleitung Verwaltung hinderlich

Die Sachgebietsleitung war mit einer guten Führungskraft aus dem Bereich des gehobenen allgemeinen Verwaltungsdienstes beschäftigt. Die Gruppe Verwaltung saß im Kreishaus, während die Standorte über das Kreisgebiet verteilt waren. Für die technischen Weiterentwicklungen braucht diese Stelle jedoch zwingend „ein technisches Auge nach außen“. Da gerade die Gruppenleitung Entsorgung, welche theoretisch diese Rolle hätten einnehmen können und sollen, ständig überlastet war, fehlte diese Kompetenzachse. Da die Sachgebietsleitung zusätzlich die Doppelfunktion Gruppenleitung Verwaltung innehatte, ergab sich auf dieser Stelle eine zum bereits skizzierten Flaschenhalsproblem der Gruppenleitung Entsorgung eine zusätzliche Führungsproblematik, die sogar noch von dieser verstärkt wurde.

Im Ergebnis war die sehr gute Ausgangssituation des Regiebetriebes, der praktisch frei in seinen Entscheidungen ist, durch die Führungsstruktur sehr stark gelähmt.

3. Veränderungsempfehlungen

Aus den skizzierten Gründen des vorherigen Kapitels haben wir eine dezentrale Bündelung der Handlungs- und Verfügungsrechte vorgeschlagen.

Vorschlag 1:

Unser erster Vorschlag war es die disziplinarische Verantwortung und eine angemessene Budgetverantwortung von 15.000 bis 20.000 Euro auf die Standortleitung zu übertragen.

Vorschlag 2:

Als nächstes haben wir vorgeschlagen die Gruppenleitung Entsorgung aufzulösen und die Standortleitungen als Linienorganisation auf die Ebene der Gruppenleitung „hochzuzonen“.

(Vorteile 1 und 2: Abbau von Reibungen, Stärkung Eigenverantwortung und wirtschaftlichen Entscheidungen)

Vorschlag 3:

Für die Institutionalisierung von Weiterentwicklungen der Standorte (3 Entsorgungsstandorte und 42 Wertstoffhöfe) haben wir die Schaffung einer „Stabstelle Standortentwicklung“ vorgesehen.

(Vorteil: Nutzung der Stärke der eigenen Steuerungskompetenz der Organisationsform Regiebetrieb, professionelle ad-hoc Berücksichtigung von Weiterentwicklungen, Unterstützung der Sachgebietsleitung im Rahmen der technischen Führung).

Abschließend haben wir das nachfolgende Organigramm vorgeschlagen, um die strukturellen Empfehlungen umzusetzen:


Legende: *) StStLtg-Stabstellenleitung

Kontakt für Fragen zu Ihrer Organisationsuntersuchung oder Personalbemessung:

Dr. Dino André Schubert
Partner und Geschäftsführer
E-Mail: d.schubert@optiso-consult.de
Mobil: +491590 1900125